Haushaltsrede 2024

Norbert Woestmeyer

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,

in den vergangenen Jahren ist in der Welt und in Europa einiges passiert, was den Alltag und das gewohnte alltägliche Leben in ziemlich hohem Maße durcheinander gebracht hat. 

Nach Corona, einer Epidemie, die bis heute verändertes Verhalten von Menschen in vielen Lebenssituationen mit sich gebracht hat; dem russischen Überfall auf die Ukraine, der bis heute Leid und Zerstörung in die Ukraine und über 1 Mio. Flüchtlinge („Mediendienst Integration“) nach Deutschland brachte, der anhaltend hohen Zahl von Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern dieser Welt sowie dem Überfall der Hamas auf Israel und der daraus folgenden Reaktion in Gaza.         Die wirtschaftliche Situation in Deutschland trägt ihr Übriges zum aktuellen Zustand unseres Landes und unserer Stadt bei. All‘ diese Ereignisse und Geschehnisse finden ihren ganz konkreten Niederschlag auch in Telgte: Sinkendes Wirtschaftswachstum gepaart mit deutlich geringer werdenden Gewerbesteuereinnahmen, fehlender Wohnraum im gesamten Stadtgebiet (das Glück, einen sowohl kompetenten, als auch solventen Investor für Telgte-Süd gefunden zu haben, wird alleine das Problem des fehlenden Wohnraums nicht lösen); hohe Zuweisungszahlen an unterzubringenden und zu betreuenden Flüchtlingen gepaart mit steigenden Kosten der notwendigen Unterbringung und Versorgung. Gleichzeitig steigende Anforderungen an kommunale Leistungen und auch Leistungsbereitschaft.                                                                 Unseres Erachtens besteht in höchstem Maße die Notwendigkeit umzudenken und alle Vorhaben nicht mehr zuerst nach Wünschen und Vorstellungen „optimaler Ausstattung“ auszurichten, sondern nach den realen Möglichkeiten, die uns, der Stadt Telgte, aufgrund der aktuellen und der zu erwartenden Haushaltssituationen bleiben.        Ein „Es kostet eben, was es kostet…“ ist kurzsichtig und verantwortungslos zugleich; es sind nämlich nicht wir, die die Kosten, die Bedienung der Schuldendienste und die Investitionsfolgekosten tragen müssen; es sind die, die heute in den Kitas und Schulen sind, deren Umbau wir planen.   

Schulen: Der Umbau und die Erweiterung der bestehenden Telgter Schulen ist notwendig, soweit besteht auch wohl partei- wie fraktionsübergreifend Konsens. Aktuellen pädagogischen Konzepten zu folgen, wenn sie sich als sinnvoll und finanzbar erweisen, ist ebenfalls mehrheitlich getragener Tenor. Eine immer wieder offen geführte Diskussion über Wunsch und Möglichkeit ist allerdings zwingend, da sich die bislang frohen Goldesel in den Kellern (und nicht nur in denen der Schulen) zur Zeit in Rekonvaleszenz befinden. Die immer wieder steigenden Kosten sind schwindelerregend. Dabei sind es nicht einmal die Investitionskosten, die schlaflose Nächte bereiten; es sind die Folgekosten aller Projekte, die hier größte Sorge auslösen. Ähnliche Sorgen beziehen sich ebenfalls auf das Haus der Musik, auch hier werden zukünftig die Investitionsfolgekosten einen erheblichen Teil an Haushaltsmitteln binden.

Knapper Wohnraum: Schon seit Jahren ist die Anzahl des freien und verfügbaren Wohnraums in unserer Stadt auf einem verschwindend niedrigen Niveau. Die Gründe hierfür sind vielfältig, das allgemeine Interesse, in Telgte wohnen und leben zu wollen ist unverändert hoch, das Verhältnis zwischen selbstgenutztem Eigentum und Mietwohnungen ist allerdings gleichbleibend. Die notwendige Unterbringung von Geflüchteten in der vorhandenen hohen Anzahl trägt ein Übriges zur aktuellen Marktsituation bei. Zu diesem Problem haben wir nun mehrfach die Einrichtung einer Stabsstelle für einen „Wohnraumförderer“ beantragt und sind mit unserem Antrag leider immer wieder gescheitert. Da wir aber auch weiterhin der festen Überzeugung sind, dass eine solche Stabsstelle durch Evaluation, methodische Analyse und direkter Ansprache von Eigentümern einen erheblichen positiven Effekt auf die Verbesserung der Wohnraumsituation hätte, werden wir unseren Antrag wohl auch in den kommenden Jahren wieder stellen. Die positiven Beispiele eines entsprechenden Konzepts in Göttingen und dem Kreis Steinfurt bestärken dabei unseren Ansatz.                                                    Großes Glück (und so darf man es wohl nennen) hat die Stadt Telgte (und haben wir alle) mit dem Einstieg der Sahle-Wohnen in die Bauplanung zu Telgte-Süd gehabt. Mit dem Engagement dieses Investors scheint die Durchführung des Projekts in großen Teilen gesichert (WN vom 8.3.2024). Dass auch die Anforderungen der Stadtplanung an die Entwicklung dieses neuen Quartiers in weiten Teilen Berücksichtigung in der Planung gefunden haben, ist höchst erfreulich.                                                                                          Dem zusätzlich beschrittenen Weg der Gründung einer interkommunalen Wohnungsbaugesellschaft stehen wir jedoch mit großer Skepsis gegenüber. Da sich die Wegstrecke allerdings momentan erst kurz hinter der Startlinie befindet, halten auch wir es erst einmal für richtig, Möglichkeiten, Kosten, Effekte und Unmöglichkeiten auszuloten und zu diskutieren.                                Die Unterbringung von Geflüchteten, Geduldeten und Wohnungslosen stellt die Stadt auch in 2024 wieder vor eine riesige Aufgabe, nicht nur im Bereich der Begleitung und Betreuung der Menschen, sondern auch in der Bewältigung des enormen Kostenfaktors. Wir halten die Einrichtung von kleinsten Einheiten, wie sie von der Mehrheit im Baugebiet Lütke Esch in WestbevernDorf favorisiert wird, in der aktuellen Lage sowohl ökonomisch, wie auch sozialpolitisch für nicht vertretbar. Um es klar zu sagen: Wir sind keinesfalls für die Unterbringung von Menschen in Behelfsunterkünften und Sporthallen. Beide Formen dürfen immer nur letzter Schritt der Möglichkeiten von Unterbringung sein, da sie sich beide scharf an der Grenze des Unzumutbaren bewegen. Gerade deshalb fordern wir immer wieder, die verschiedenen Formen zentraler Unterbringung zu prüfen und sich an den Beispielen vor Ort und auch den Beispielen umliegender Kommunen zu orientieren. Hier kann mit wesentlich geringerem Aufwand ein deutlich höherer Effekt erzielt werden.            Die Reihe der Kritik und der Anmerkungen ließe sich noch um viele weitere Aspekte erweitern, ich will sie aber nur anreißen, um den zeitlichen Rahmen nicht zu strapazieren:                                       Glasfaser in den grauen und hellgrauen Flecken: Die Verhältnismäßigkeit von entstehenden Kosten und zwingender Notwendigkeit der Maßnahme erscheint uns nach wie vor in keinem Punkt der Argumentation gegeben; ob es, egal in welchem Haushaltszustand sich eine Kommune befindet, wirklich zur Daseinsvorsorge zählt, einen privaten Haushalt mit der Möglichkeit eines Glasfaseranschlusses zu versehen, sei dahingestellt. Um mögliche Irritationen der Öffentlichkeit auszuschließen: Das Programm zum Glasfaserausbau in den Bauernschaften, das im Wesentlichen den weißen Flecken zuzuordnen sind, wird nach einer endlos langen Geschichte hoffentlich Mitte 2024 fertiggestellt und steht für unsere Fraktion nicht zur Debatte.                                                        Raestrup: Auch wenn hier zuerst einmal die Telgter Bürgerinnen und Bürger und weniger der kommunale Haushalt betroffen wären, ist u.E. auch hier ein klares Maß an Verhältnismäßigkeit zu legen. Ob Raestrup nun Teil des Innenbereiches wird, oder Außenbereich bleibt, muss nicht nur im Hinblick auf die Kostenentwicklung sehr genau und kritisch geprüft werden. Die Entwicklung des Gemeindehauses ist hiervon nicht betroffen, was schon einmal sehr beruhigend ist. Weiterhin: Die Einpreisung der Sanierung des Rathauses und viele andere Positionen sind aktuell nicht bedacht. Der Zustand des Knickenberghauses sowie die verzögerte Durchführung der B-PlanÄnderungen im Orkotten sind weitere Aspekte. Resümee: Die Haushaltslage unserer Stadt ist dramatisch und wir bewegen uns, wenn wir denn alle weiterhin trotz der deutlichen Warnhinweise die Richtung und die Geschwindigkeit nicht ändern, mit hohem Tempo auf den Rand einer Steilkante zu, deren Überschreiten mindestens eine deutliche Veränderung des aktuellen Lebensniveaus zur Folge haben wird. Steuererhöhungen sind unseres Erachtens immer nur als Ultima Ratio zu verstehen, die Lage des kommunalen Haushalts ließ uns in diesem Jahr jedoch keine andere Möglichkeit, als den geplanten Erhöhungen zuzustimmen. Wenn es aber nicht mehr gelingt, einem halbwegs stabilen Haushalt trotz Erhöhungen von Grund- und Gewerbesteuer auch nur nahe zu kommen, lässt sich die drastische Lage u.E. nicht mehr leugnen. Methoden, wie die Einrichtung eines Verlustvortrags von 5 Mio Euro sind letztlich aber nur „Hütchenspiele“ (so der BM) die den Mangel nur verschieben. Dieses Hütchenspiel kennt aber nur Verlierer, da sich unter keinem der drei Hüte eine Erbse befindet. Es darf, wenn man den ernsthaft gewillt ist, Kosten auf ein akzeptables Maß zu bringen, auch kein Tabu sein, an bestehende Haushaltspositionen heranzugehen und sowohl Höhe wie auch Umfang in Frage zu stellen. Diese zwingende Ernsthaftigkeit vermissen wir deutlich und können so den Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 nur ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkei